Osteuropa

Dieser Artikel behandelt den geographischen Begriff. Zur Zeitschrift siehe Osteuropa (Zeitschrift).
Vorschlag des Ständigen Ausschusses für geographische Namen zur Abgrenzung Osteuropas
Die ehemaligen Ostblockstaaten in Rot

Mit Osteuropa wird der östliche, Mitteleuropa benachbart gelegene Teil Europas bezeichnet. Eine speziellere Definition des Begriffes Osteuropa hängt davon ab, in welchem Zusammenhang diese Bezeichnung verwendet wird:

  • Im geografischen Sinne umfasst Osteuropa neben dem europäischen Teil Russlands und dem nordwestlichen Teil Kasachstans auch noch den mittleren und östlichen Teil der Ukraine, während ihr äußerster Südwesten (Karpatenukraine, Bukowina und Galizien) häufig Mitteleuropa zugeordnet wird. Hinzugezählt werden auch noch der allergrößte Teil von Belarus. Allerdings liegt ein großer Teil Osteuropas nördlich von Mitteleuropa, Städte wie Sankt Petersburg („Venedig des Nordens“), Nowgorod und Murmansk liegen nördlicher als viele skandinavische Städte. Nordwestrussland wurde bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts meist zu Nordeuropa gerechnet. Am geografisch korrektesten für dieses Gebiet ist der Begriff Nordosteuropa. Die bestimmende Landschaftsform in Osteuropa ist die riesige Osteuropäische Ebene, die sich unter anderem bis zum Osteuropa von Asien abtrennenden Ural-Gebirge erstreckt und im Norden bis zum Nordpolarmeer reicht. Die Ostgrenze Osteuropas zu Asien ist vor allem im Südosten zwischen Ural und Schwarzem Meer nicht eindeutig definiert.
  • Im historischen Sinn werden mit Osteuropa die Ukraine, der europäische Teil Russlands, Belarus und Moldau bezeichnet. Gelegentlich werden auch die kaukasischen Länder Georgien, Armenien und bedingt Aserbaidschan als Teil Osteuropas gesehen. Von Christian Giordano und anderen Wissenschaftlern wird eine der sechs historischen Regionen Europas „Osteuropa“ genannt. Die osteuropäischen Länder sind historisch und kulturell weitgehend von der orthodoxen Kirche geprägt (das islamische Aserbaidschan ausgenommen) und standen – im Gegensatz zum osmanisch beherrschten Balkan – unter der Herrschaft des Russischen Reiches. Wie auch die Balkanländer waren die Länder Osteuropas lange Zeit rückständige Agrarstaaten (vgl.: Zwischeneuropa) und hatten keinen oder nur einen beschränkten Anteil an den gesellschaftlichen Entwicklungen der Renaissance, Reformation und Aufklärung der Westlichen Welt. Dass sich der Kommunismus ab 1917 zunächst in Russland und später infolge des Zweiten Weltkrieges auch in anderen Ländern durchsetzte und einige Jahrzehnte behaupten konnte, widersprach als eher kuriose Entwicklung den Erwartungen des Marxismus, wenn auch die Rückständigkeit des Großraums eine in gewisser Weise günstige Ausgangsposition für einen eigenständigen sozialistischen Modernisierungsansatz geboten haben mag.[1]
  • Im ethnischen, sprachlichen und kulturellen Sinn bezeichnet Osteuropa den Teil Europas, der von den slawischen Völkern bewohnt wird. Diese vereinfachte Einteilung wird jedoch kritisiert, da zum einen auch der östliche Teil Deutschlands lange Zeit von Slawen besiedelt war und teilweise heute noch ist (siehe Sorben) und zum anderen Länder wie Ungarn, Rumänien, Moldau, Estland sowie Litauen und Lettland als überwiegend nichtslawische Länder umgeben von slawischen Völkern außer Acht gelassen werden.
  • Im politischen Sinn bezeichnete Osteuropa während des Kalten Krieges die europäischen Ostblockstaaten.

Die osteuropäischen und die ostmitteleuropäischen Länder werden aus politischen Gründen häufig gemeinsam betrachtet. Im EU-Jargon lautet die Abkürzung dafür MOEL.

  • Im statistischen Sinne seit frühestens 1945 der Vereinten Nationen[2] umfasst das östliche Europa: Bulgarien, die Republik Moldau, Rumänien, Russland, die Slowakei, die Ukraine, Ungarn, Polen, Tschechien und Belarus. Die baltischen Staaten zählen bereits zum nördlichen Europa.
  • Im sprachlich-geografischen Sinne der Vereinten Nationen[3] umfasst die Abteilung für Osteuropa, Nord- und Zentralasien folgende Staaten: Armenien, Aserbaidschan, Bulgarien, Kirgisistan, Mongolei, Russland, die Ukraine, Usbekistan und Belarus.

Osteuropa war ein zentrales Forschungsgebiet der Ostforschung, die im östlichen Teil Deutschlands ihren Anfang hat. Viele osteuropäische Länder benutzen die osteuropäische Zeit (OEZ).

Siehe auch

Literatur

  • Studienhandbuch Östliches Europa
    • Band 1: Geschichte Ostmittel- und Südosteuropas [Broschiert], hrsg. von Harald Roth, 2. überarb. und aktualisierte Aufl. UTB, Stuttgart 2009, ISBN 3-8252-3167-4.
    • Band 2: Geschichte des Russischen Reiches und der Sowjetunion [Broschiert], hrsg. von Thomas Bohn und Dietmar Neutatz, 2. überarb. und aktual. Auflage. UTB, Stuttgart 2009, ISBN 3-8252-3168-2.
  • Christa Ebert: Literatur in Osteuropa: Russland und Polen. Akademie Verlag, Berlin 2010, ISBN 3-05-004537-X.
  • Wolfgang Ismayr (Hrsg.): Die politischen Systeme Osteuropas. 3. Auflage. Wiesbaden 2009, ISBN 3-531-16201-2.
  • Alexander Motyl: National Questions: Theoretical Reflections on Nations and Nationalism in Eastern Europe. ibidem, Stuttgart 2022, ISBN 978-3-8382-1675-1.
  • Tina Olteanu, Tiobias Spöri, Felix Jaitner, Hans Asenbaum (Hrsg.): Osteuropa transformiert. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, 2017, ISBN 978-3-658-17818-5.
  • Larry Wolff: Inventing Eastern Europe: The Map of Civilization on the Mind of the Enlightenment. Stanford University Press, Stanford 1994, ISBN 0-8047-2702-3.

Weblinks

Commons: Osteuropa – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikivoyage: Osteuropa – Reiseführer
Wiktionary: Osteuropa – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Osteuropa-Abteilung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
  • Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung
  • Linksammlungen des Osteuropa-Netzwerks zu Osteuropa allgemein
  • osmikon – Das Forschungsportal zu Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa: fachübergreifende Informationsangebote zur Osteuropaforschung im deutschsprachigen Raum
  • Dossiers zum Thema Osteuropa in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft.

Einzelnachweise

  1. Interdependente Vielfalt: Die historischen Regionen Europas. In: Karl Kaser u. a. (Hrsg.): Europa und die Grenzen im Kopf. Wieser-Verlag, Klagenfurt 2003, S. 113–134.
  2. Statistikseite der Vereinten Nationen
  3. unstats.un.org (Memento vom 17. August 2002 im Internet Archive)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt Linktext fehlt.
Normdaten (Geografikum): GND: 4075739-0 (lobid, OGND, AKS) | VIAF: 248539062