Riemann-Hilbert-Problem

Die Riemann-Hilbert-Probleme (kurz RHP oder auch Riemann-Hilbert-Analysis) sind eine Klasse von mathematischen Problemstellungen, in denen eine komplexwertige Funktion M {\displaystyle M} gesucht wird.

Die Problemstellung ist folgende: Gegeben sei eine orientierte, glatte Kurve Γ C {\displaystyle \Gamma \in \mathbb {C} } und eine Jump-Funktion J {\displaystyle J} , um von einer Seite der Kurve auf die andere Seite zu gelangen. Das Ziel ist es nun, die darunterliegende Funktion M {\displaystyle M} zu rekonstruieren, welche analytisch auf C Γ {\displaystyle \mathbb {C} \setminus \Gamma } ist.

Die Probleme sind nach den deutschen Mathematikern Bernhard Riemann und David Hilbert benannt und haben mannigfaltige Anwendungen in der Mathematik und Physik, unter anderem trifft man sie in der Theorie der nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen an.

Vorkommen

Viele Problemstellungen lassen sich als Riemann-Hilbert-Probleme formulieren und sind Startpunkt für asymptotische Analyse. Klassische Riemann-Hilbert-Probleme sind das Lösen von Differentialgleichungen wie der Painlevé-Gleichung vom Typ 2 (Airy-Funktion) oder das Finden von orthogonalen Polynome, wie man sie in der Spektraltheorie von Zufallsmatrizen benötigt.

Auch lässt sich das Finden von Lösungen für nichtlineare partielle Differentialgleichungen wie der KdV-Gleichung als RHP formulieren.[1]

Riemann-Hilbert-Problem

Eine orientierte, glatte Kurve Γ C {\displaystyle \Gamma \subset \mathbb {C} } teilt die komplexe Ebene in Ω + Ω Γ {\displaystyle \Omega _{+}\cup \Omega _{-}\cup \Gamma } auf, wobei die positive Seite Ω + {\displaystyle \Omega _{+}} links von Γ {\displaystyle \Gamma } liegt.

Mit M + ( z ) {\displaystyle M_{+}(z)} respektive M ( z ) {\displaystyle M_{-}(z)} bezeichnen wir die Limits von der positiven Seite x + Ω + {\displaystyle x_{+}\in \Omega _{+}} resp. der negativen Seite x Ω {\displaystyle x_{-}\in \Omega _{-}} nach z Γ {\displaystyle z\in \Gamma }

M + ( z ) := lim x + z M ( x ) {\displaystyle M_{+}(z):=\lim \limits _{x_{+}\to z}M(x)}
M ( z ) := lim x z M ( x ) {\displaystyle M_{-}(z):=\lim \limits _{x_{-}\to z}M(x)} ,

sofern diese existieren. Weiter sei u {\displaystyle u} die Menge der Punkte, in denen sich die Kurve selbst überschneidet. Dann definiere Γ u := Γ u {\displaystyle \Gamma _{u}:=\Gamma \setminus u} .

Formulierung

Sei n N {\displaystyle n\in \mathbb {N} } , Γ C {\displaystyle \Gamma \subset \mathbb {C} } eine orientierte, glatte Kurve und J : Γ u GL ( n , C ) {\displaystyle J:\Gamma _{u}\to \operatorname {GL} (n,\mathbb {C} )} eine glatte Funktion.

Dann definiert das paar ( Γ , J ) {\displaystyle (\Gamma ,J)} ein Riemann-Hilbert-Problem:

Gesucht wird eine Funktion M : C C n × n {\displaystyle M:\mathbb {C} \to \mathbb {C} ^{n\times n}} , so dass

  • M {\displaystyle M} ist analytisch auf C Γ {\displaystyle \mathbb {C} \setminus \Gamma } .
  • M + ( z ) = M ( z ) J ( z ) , z Γ u {\displaystyle M_{+}(z)=M_{-}(z)J(z),\quad z\in \Gamma _{u}} .
  • M ( z ) I n {\displaystyle M(z)\to I_{n}} wenn z {\displaystyle z\to \infty } .

Existenz und Eindeutigkeit der Lösung

Die Existenz einer Lösung zu einem RHP zu zeigen ist keine triviale Aufgabe und oft schwieriger als die Eindeutigkeit. Eine klassische Methode für ein RHP ist die Methode des steilsten Anstiegs (englisch Method of steepest descent) von Deift und Zhou.[2]

Beispiele

Skalares Hilbert-Riemann-Problem

Sei n = 1 {\displaystyle n=1} und Γ = R {\displaystyle \Gamma =\mathbb {R} } , orientiert in Richtung + {\displaystyle +\infty } .[3]

Da wir eine skalare Funktion suchen, können wir unter Anwendung des Logarithmus die Problemstellung etwas umschreiben

log M + ( z ) log M ( z ) = log J ( z ) , z Γ u {\displaystyle \log M_{+}(z)-\log M_{-}(z)=\log J(z),\quad z\in \Gamma _{u}} ,

welches sich mit Sokhotski-Plemeljs Formel lösen lässt. Die Lösung hat folgende Form

log M ( z ) = 1 2 π i R log J ( s ) s z d s {\displaystyle \log M(z)={\frac {1}{2\pi i}}\int _{\mathbb {R} }{\frac {\log J(s)}{s-z}}\mathrm {d} s} ,

allerdings existiert dieses Integral nicht immer.

Nichtlineare Schrödinger-Gleichung

Betrachte die nichtlineare Schrödinger-Gleichung[4]

{ i ψ t + ψ x x 2 | ψ | 2 ψ = 0 , ψ ( x , 0 ) = ψ 0 ( x ) S ( R ) {\displaystyle {\begin{cases}i\psi _{t}+\psi _{xx}-2|\psi |^{2}\psi =0,\\\psi (x,0)=\psi _{0}(x)\in {\mathcal {S}}(\mathbb {R} )\end{cases}}}

wobei S ( R ) {\displaystyle {\mathcal {S}}(\mathbb {R} )} den Schwartz-Raum bezeichnet. Wir wählen Γ = R {\displaystyle \Gamma =\mathbb {R} } , orientiert in Richtung + {\displaystyle +\infty } und weiter sei für z Γ {\displaystyle z\in \Gamma }

J x , t ( z ) = ( 1 | r ( z ) | 2 r ¯ e 2 i ( 2 t z 2 + x z ) r ( z ) e 2 i ( 2 t z 2 + x z ) 1 ) {\displaystyle J_{x,t}(z)={\begin{pmatrix}1-|r(z)|^{2}&-{\bar {r}}e^{-2i(2tz^{2}+xz)}\\r(z)e^{2i(2tz^{2}+xz)}&1\end{pmatrix}}}

wobei r ( z ) S ( R ) {\displaystyle r(z)\in {\mathcal {S}}(\mathbb {R} )} den durch die inverse Streutransformation zu y 0 {\displaystyle y_{0}} assoziierten Reflexionskoeffizient bezeichnet.

Dann ist ( Γ , J x , t ) {\displaystyle (\Gamma ,J_{x,t})} ein RHP.

Einzelnachweise

  1. Thomas Bothner: On the origins of Riemann–Hilbert problems in mathematics. In: IOP Publishing (Hrsg.): Nonlinearity. 2021, doi:10.1088/1361-6544/abb543. 
  2. Percy Deift, Xin Zhou: A steepest descent method for oscillatory Riemann-Hilbert problems. In: American Mathematical Society (Hrsg.): Bulletin of the American Mathematical Society (N.S.). Nr. 26, 1992, S. 119–124, doi:10.2307/2946540. 
  3. Percy Deift: Orthogonal Polynomials and Random Matrices: A-Riemann Hilbert Approach. Hrsg.: American Mathematical Society. Rhode Island 2000, ISBN 978-0-8218-8344-0, S. 2. 
  4. Percy Deift: Orthogonal Polynomials and Random Matrices: A-Riemann Hilbert Approach. Hrsg.: American Mathematical Society. Rhode Island 2000, ISBN 978-0-8218-8344-0, S. 12.