Jef Scherens

Jef Scherens
Zur Person
Vollständiger Name Josephus Scherens
Spitzname Poeske
Geburtsdatum 17. Februar 1909
Sterbedatum 9. August 1986
Nation Belgien Belgien
Disziplin Bahn (Kurzzeit)
Karriereende 1951
Wichtigste Erfolge
UCI-Bahn-Weltmeisterschaften
1932, 1933, 1934, 1935, 1936, 1937, 1947 Regenbogentrikot – Sprint
Letzte Aktualisierung: 4. Februar 2020

Josephus „Jef“ Scherens (* 17. Februar 1909 in Werchter, Belgien; † 9. August 1986 in Leuven) war ab Ende der 1920er und bis Anfang der 1950er Jahre ein belgischer Bahnradsportler. Sieben Mal wurde er in diesen Jahren Weltmeister im Sprint.

Biographie

Kindheit und Jugend

Jes Scherens war das jüngste von fünf Kindern der Eheleute Regina (geborene Janssens) und Felix Scherens. In der Familie bekam der zierliche Junge den Beinamen Poeterke, in seiner Heimatsprache das Wort für ein im Wachstum zurückgebliebenes Lamm. Aus Poeterke wurde später Poeske (Kätzchen), womit auf den von ihm praktizierten Tigersprung Bezug genommen wurde.[1]

Der Vater war zunächst als Erdarbeiter bei einer Eisenbahngesellschaft tätig, nach der Geburt von Jef wechselte er zur Brouwerij Jack-Op. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs geriet Werchter in den Mittelpunkt der ersten kriegerischen Auseinandersetzungen: Im August und September 1914 wurden in diesem Ort 250 Häuser, die Kirche sowie die beiden Brücken zerstört. Es kam zu Gräueltaten des deutschen Heeres gegen die Zivilbevölkerung. Viele Belgier ergriffen daraufhin die Flucht, darunter auch die Familie Scherens, die schließlich in einem Dort nahe Loudun landete. Dort besuchte Jef Scherens vier Jahre lang die Schule und lernte, fließend Französisch zu sprechen. Nach Kriegsende kehrte die Familie – bis auf den ältesten Sohn Jan, der in Loudon blieb – nach Werchter zurück. Scherens beendete die Schule, und ihm wurde im Abgangszeugnis attestiert: „Aanleg voor acrobaat!“ („Talent zum Akrobat!“)[2]

Scherens arbeitete zunächst in einer Papier-, später in einer Lederfabrik. Zu dieser Zeit wohnte er als „Kind im Haus“ bei dem Fahrradbauer Gust Van Deuren aus Rotselaar, der Jef ein eigenes Rad baute. Jef Scherens schloss sich einer Gruppe von jungen Männern an, die täglich mit dem Rad zur Arbeit fuhren. 1924 debütierte er bei einem Rennen in Betekom als Radrennfahrer, 1926 konnte er schon sieben Siege feiern. Ein Fahrradhändler aus Haren unterstützte ihn als Sponsor.[3]

Sportlicher Werdegang

1924 debütierte Scherens als Radrennfahrer bei einem Rennen in Betekom, 1926 konnte er schon sieben Siege verbuchen. Ein Fahrradhändler aus Haren unterstützte ihn als Sponsor.[3] 1927 wurde er Mitglied im Koninklijke Stoempersclub Leuven und gewann 40 Rennen im Nachwuchsbereich, im Jahr darauf 27 Rennen bei den Junioren. Diese Erfolge brachten ihn zu dem Entschluss, seine Arbeit aufzugeben und professioneller Radsportler zu werden.[4]

Am 14. Oktober 1928 bestritt Jef Scherens im Brüsseler Sportpaleis ein Sprint-Rennen gegen den belgischen Meister Jules Vervust, das er gewann. 1929 gewann er zudem fünf Straßenrennen, seiner Meinung nach lag seine Zukunft auf der Straße. Ein erster Erfolg gelang ihm, als er bei den Unabhängigen Meister von Belgien in Zelzate wurde.[4] Sein erstes Rennen mit einer Lizenz als Berufsfahrer bestritt er am 13. Oktober 1929.[5]

1931 wurde Jef Scherens zum ersten Mal belgischer Meister im Sprint. Im Jahr darauf wurde er in Rom Weltmeister im Sprint. Scherens wurde durch Auszeichnungen und Empfänge geehrt und schließlich auch von König Albert I. im Palast empfangen, der ihm ein silbernes Zigarettenetui schenkte.[6]

Von 1933 bis 1937 errang Scherens den Weltmeistertitel fünfmal: in Paris, in Leipzig in Brüssel, Zürich und in Kopenhagen. Lediglich 1928 in Amsterdam musste er sich dem Niederländer Arie van Vliet geschlagen geben. Bei den UCI-Bahn-Weltmeisterschaften 1939 in Mailand hatten sich Scherens und van Vliet schon für das Finale um Gold qualifiziert, als die Weltmeisterschaften wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs abgebrochen worden. Während des Krieges bestritt Scherens, um Geld zu verdienen, auch drei Sechstagerennen: 1940 belegte er in Brüssel mit Achiel Bruneel Platz zwei.[7]

1947 wurde Scherens im Alter von 38 Jahren ein letztes Mal Weltmeister. Neben den sieben WM-Titeln und 16 belgischen Titeln gewann er in verschiedenen Ländern viele Große Preise und hielt zu seiner Zeit sämtliche Sprint- und Rundenrekorde der großen europäischen Radrennbahnen. Jeweils dreimal gewann er die renommierten Sprint-Klassiker Grand Prix de Paris und Grand Prix de l’UVF. Den Grand Prix de la République gewann er 1931 und 1933, den Grand Prix Amsterdam 1932, den Grand Prix d’Angers 1931 und 1933. Den Grand Prix d’Anvers konnte er 1932, 1933, 1937, 1941 und 1942 für sich entscheiden. 1935 gewann er den Grand Prix de Reims, einen der ältesten Wettkämpfe für Bahnsprinter in Frankreich. Den Grand Prix Turin, einen der ältesten Wettbewerbe im Bahnradsport, gewann er 1937. Den Grand Prix de lUCI in Paris gewann er dreimal.

Nach dem Sport

Nach dem Ende seiner Radsportlaufbahn widmete sich Jef Scherens einigen anderen sportlichen Aktivitäten, darunter Motorsport, Wasserski, Schwimmen und Bogenschießen: „Toch wilde hij overal de beste in zijn, gedreven door een intense overwinningsdrang.“ („Doch wollte er überall der Beste sein, getrieben von einem intensiven Siegeswillen.“)[8] Scherens eröffnete 1951 einen Autohandel in seiner Heimatstadt.[9] Auch machte er viele Reisen mit seiner Familie. 1970 kandidierte er erfolglos für den Stadtrat von Leuven.[10]

Ehrungen

1933 wurde Jef Scherens in Belgien mit der Nationale Trofee voor Sportsverdienste ausgezeichnet,[11] 1947 mit dem Leopoldsorden[12], 1955 mit der Gouden Medaille voor Sportverdienste und 1975 mit dem Guidon d’Or der französischen Zeitschrift L’Équipe. In Marokko erhielt er 1949 den Ordre du Ouissam Alaouite.[13]

In seinem Geburtsort Werchter wurden eine Straße sowie ein Wanderweg nach Scherens benannt. Seit 1963 wird in Leuven das Straßenrennen GP Jef Scherens ausgetragen.

Diverses

In Belgien ist Scherens als Poeske (flämisch=Kätzchen) Scherens bekannt.[14] Er galt als Meister in der Technik des „Tigersprungs“, die in Belgien "Kattesprong" genannt wird. (Es ist unklar, welcher Begriff – Kattesprong oder Poeske – zuerst benutzt wurde.)

Dieses Porträtmedaillon ließ Scherens am Grabstein von Albert Richter anbringen

Während seiner Zeit als Radrennfahrer freundete sich Jef Scherens mit seinem deutschen Konkurrenten Albert Richter an. Man nannte sie das „Königspaar, das über die Radrennbahnen herrschte“.[15] Richter kam 1940 unter ungeklärten Umständen im Gerichtsgefängnis von Lörrach, mutmaßlich wurde er von Gestapo ermordet. Nach Kriegsende besuchte Scherens die Eltern von Richter in Köln und ließ an dessen Grabstein – wie in Belgien üblich – ein Porträtmedaillon anbringen.[16]

Sein nach ihm benannter Neffe Jozef Scherens war von 1956 bis 1963 als Radsportler auf der Straße aktiv.[17]

Erfolge (Auswahl)

1929
  • Belgischer Jugend-Meister – Sprint
1931
1932
  • Regenbogentrikot Weltmeister – Sprint
  • Grand Prix de Paris
  • Belgischer Meister – Sprint
1933
1934
1935
1936
1937
  • Regenbogentrikot Weltmeister – Sprint
  • Grand Prix de Paris
  • Belgischer Meister – Sprint
1938
1939
  • Belgischer Meister – Sprint
1941
  • Belgischer Meister – Sprint
1942
1944
  • Belgischer Meister – Sprint
1945
  • Belgischer Meister – Sprint
1946
  • Belgischer Meister – Sprint
1947

Literatur

  • Achiel Van Den Broeck: Jef Scherens. The Caruso From the Sprinters World. 1948. 
  • Fran Herpelinck: Het fenomeen „Poeske Scherens“. Nr. 10. Salsa!, Leuven 2013, ISBN 978-90-429-3029-2. 

Weblinks

  • Jef Scherens in der Datenbank von Radsportseiten.net
  • Jef Scherens (RTBF 1/2) auf YouTube, vom 8. März 2013
  • Fran Herpelinck, Het fenomeen "Poeske' Scherens, Masterproef Geschiedenis 2010–2011, Katholieke Universiteit Leuven, Vlaamse Scriptiebank'

Einzelnachweise

  1. Herpelinck, Het fenomeen „Poeske Scherens“, S. 10.
  2. Herpelinck, Het fenomeen „Poeske Scherens“, S. 11/12.
  3. a b Herpelinck, Het fenomeen „Poeske Scherens“, S. 13.
  4. a b Poeske Scherens. In: erfgoedcelleuven.be. Abgerufen am 5. Februar 2020 (niederländisch). 
  5. Velo Travel Marketing (Hrsg.): Velo Gotha. Mechelen 2005, S. 487 (englisch). 
  6. Herpelinck, Het fenomeen „Poeske Scherens“, S. 49.
  7. Roger de Maertelaere: De Mannen van de Nacht. 100 jaar zesdaagsen. De Eecloonaar, Eeklo 2000, ISBN 90-74128-67-X, S. 242
  8. Herpelinck, Het fenomeen „Poeske Scherens“, S. 106.
  9. Illustrierter Radsportexpress. Nr. 5/1951. Express-Verlag, Berlin 1951, S. 11. 
  10. Herpelinck, Het fenomeen „Poeske Scherens“, S. 108.
  11. Herpelinck, Het fenomeen „Poeske Scherens“, S. 54.
  12. Illustrierter Radsportexpress. Nr. 24/1947. Berlin 1947, S. 7. 
  13. Herpelinck, Het fenomeen „Poeske Scherens“, S. 104.
  14. Het Niewsblad online: "Werchter viert honderdste geboortedag van wielerlegende Poeske Scherens" abgerufen am 12. Februar 2010 (flämisch)
  15. Herpelinck, Het fenomeen „Poeske Scherens“, S. 51.
  16. Renate Franz, Andreas Hupke, Bernd Hempelmann: Der vergessene Weltmeister. Das rätselhafte Schicksal des Kölner Radrennfahrers Albert Richter. Covadonga, Bielefeld 2007, ISBN 978-3-936973-34-1, S. 171. 
  17. Jozef Scherens. In: radsportseiten.net. Abgerufen am 8. Februar 2020 (englisch). 
Weltmeister im Sprint

1895 Robert Protin | 1896 Paul Bourillon | 1897 Willy Arend | 1898 George A. Banker | 1899 Major Taylor | 1900 Edmond Jacquelin | 1901–1903, 1906, 1908, 1911 Thorvald Ellegaard | 1904 Iver Lawson | 1905 Gabriel Poulain | 1907, 1910 Émile Friol | 1909 Victor Dupré | 1912 Frank Kramer | 1913 Walter Rütt | 1914–1919 nicht ausgetragen | 1920 Robert Spears | 1921–1924, 1926 Piet Moeskops | 1925 Ernst Kaufmann | 1927–1930 Lucien Michard | 1931 Willy Falck Hansen | 1932–1937, 1947 Jef Scherens | 1938, 1948, 1953 Arie van Vliet | 1939–1945 Finale bzw. WM nicht ausgetragen | 1946, 1957 Jan Derksen | 1949–1951, 1954 Reg Harris | 1952 Oscar Plattner | 1955, 1956, 1959–1962, 1964 Antonio Maspes | 1958 Michel Rousseau | 1963 Sante Gaiardoni | 1965, 1966, 1968 Giuseppe Beghetto | 1967, 1969 Patrick Sercu | 1970 Gordon Johnson | 1971 Leijn Loevesijn | 1972, 1973 Robert Van Lancker | 1974 Peder Pedersen | 1975, 1976 John Nicholson | 1977–1986 Kōichi Nakano | 1987 Nobuyuki Tawara | 1988 Stephen Pate | 1989 Claudio Golinelli | 1990, 1992 Michael Hübner | 1993 Gary Neiwand | 1994 Marty Nothstein | 1995 Darryn Hill | 1996–1998 Florian Rousseau | 1999, 2003 Laurent Gané | 2000 Jan van Eijden | 2001 Arnaud Tournant | 2002 Sean Eadie | 2004, 2006, 2007 Theo Bos | 2005 René Wolff | 2008 Chris Hoy | 2009, 2010, 2012, 2015 Grégory Baugé | 2011, 2016 Jason Kenny | 2013 Stefan Bötticher | 2014 François Pervis | 2017 Denis Dmitrijew | 2018 Matthew Glaetzer | 2019–2023 Harrie Lavreysen

Belgische Meister im Sprint

1894, 1895 Emile Huet | 1898, 1901, 1905–1909 Charles Van Den Born | 1899 Louis Grogna | 1900 Claude Leclercq | 1902–1903 nicht ausgetragen | 1904 Ernest Massart | 1910 Albert Herent | 1911 Hubert Wilmots | 1912, 1914, 1926 Émile Otto | 1913, 1919, 1920 Jozef Van Bever | 1921 Jules Dossche | 1922–1925, 1927–1929 Alois De Graeve | 1930 Jacques Arlet | 1931–1939, 1941, 1942, 1944–1946 Jef Scherens | 1940 Frans Cools | 1943, 1951–1956 Emile Gosselin | 1948 Frans Van Looveren | 1949, 1950 Raymond Pauwels | 1957–1963, 1966 Jos De Bakker | 1964 Leo Sterckx | 1965, 1967–1969 Patrick Sercu | 1970–1974, 1976 Robert Van Lancker | 1975 Raphael Constant | 1981, 1982 Michel Vaarten | 1993–1995 Erik Schoefs | 1997 Mario Ghyselinck | 1998 Luc De Duytsche | 1999 Wim Van Rengen | 2000–2003 Dimitri De Fauw | 2004 Dominique Perissi | 2012 Kim Van Leemput | 2015 Matthias Oseï Vertez | 2016 Robin Venneman | 2017, 2018 Ayrton De Pauw | 2019 Gerald Nys

Die Meisterschaft im Sprint wurde nicht durchgängig ausgetragen.

Personendaten
NAME Scherens, Jef
ALTERNATIVNAMEN Scherens, Joseph (vollständiger Name); Poeske (Spitzname)
KURZBESCHREIBUNG belgischer Radrennfahrer
GEBURTSDATUM 17. Februar 1909
GEBURTSORT Werchter, Belgien
STERBEDATUM 9. August 1986
STERBEORT Löwen, Belgien